sabato 8 giugno 2024

Schuldenbremse auf Bundesebene: Notwendige und richtige Entscheidung? Eine Rede - Ferdinand Graziotto

Ich freue mich, in meinem Blog die Rede meines Sohnes zum Thema "Schuldenbremse auf Bundesebene: Notwendige und richtige Entscheidung?" vorzustellen. Er selbst sagte mir, dass er viel dem folgenden Buch verdankt: "Schulden: Die ersten 5000 Jahre". Es handelt sich um ein 2011 in englischer Sprache als "Debt: The First 5,000 Years" veröffentlichtes Buch des US-Amerikaners David Graeber (1961–2020), Ethnologe, Anarchist und Wirtschaftsprofessor an der London School of Economics and Political Science. Das Buch wurde 2012 mit dem britischen Literaturpreis Bread and Roses Award for Radical Publishing ausgezeichnet und erschien im selben Jahr auf Deutsch.

Der Autor plädiert für eine komplette Annullierung von Schulden und zieht somit andere Schlüsse als mein Sohn. Ferdinand ist sich jedoch bewusst, dass die Frage noch viel tiefere Überlegungen erfordert. Zum Beispiel müsste man auch die Frage nach dem Erlass von Schulden für arme Länder berücksichtigen, die kürzlich von Papst Franziskus zur Sprache gebracht wurde. Diese Schulden beruhen oft auf Ungerechtigkeiten, wie mein Sohn mir anhand des Beispiels von Madagaskar erklärt hat. Und dennoch, selbst wenn man diese Einwände berücksichtigt, handelt es sich um eine denkwürdige Rede.

Roberto Graziotto


                                                           Ferdinand Graziotto 

Sehr geehrte Damen und Herren, die Zukunft unseres Landes, sie liegt Ihnen am Herzen, sonst wären Sie heute nicht hier, sonst würden Sie sich nicht mit dieser scheinbar spröden Finanzpolitik-Frage Auseinandersetzen, die heute Thema sein soll: Schuldenbremse auf Bundesebene: Notwendige und richtige Entscheidung?

Es ist eine Binsenweisheit, das zu Erläuterung einer Frage die Definition der verwendeten Begriffe gehört. In unserem Falle gilt es also zu klären, worum es sich bei der Schuldenbremse eigentlich handelt. Es handelt sich um ein seit 2011 in unserem Grundgesetz verankertes Prinzip, dessen Kern es ist, ein strukturelles Defizit auf Bundesebene auf 0,35% des BIP zu beschränken hinzu kommt eine Konjunkturkomponente, also möglichst einfach gesagt, ist hier eine andere Binsenweisheit verankert, es gibt die Möglichkeit in schlechten Zeiten ein höheres Defizit zu haben und das in guten Zeiten wieder auszugleichen oder vice versa. Das ist die Regel, hinzu kommt im Gesetzestext eine Ausnahmeregelung für wortwörtlich:“ Naturkatastrophen oder andere außergewöhnliche Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen“. Für diese Ausnahmeregelung gibt es keine materielle Begrenzung einer Neuverschuldung, sie muss jedoch im Verhältnis zur Notsituation rechtfertigbar sein und es muss in solchen Situationen für die neu aufgenommenen Schulden ein Tilgungsplan erstellt werden. Einfach gesagt, was ausgegeben wird, muss früher oder später wieder zurückgezahlt werden.

 Und damit kommen wir in unserem Anliegen zu definieren, was hier denn überhaupt Thema sein soll zu der eigentlich spannenderen Frage: Was sind denn eigentlich Schulden? Und wieso müssen die eigentlich immer zurückgezahlt werden? Das ist tatsächlich eine Frage, die so komplex ist, dass ich ihr hier, in so kurzer Zeit, nicht gerecht werden kann, aber ich möchte mindestens das Bewusstsein dafür schärfen, dass der Begriff

Schuld mehrdeutig ist, im Duden wird er in dreifacher Weise definiert, zwei davon möchte ich nennen: 1. bestimmtes Verhalten, bestimmte Handlung, womit jmd. gegen sittliche Werte, Normen oder gegen die rechtliche Ordnung verstößt.

2. Geldbetrag, den jmd. einem anderen schuldig ist.

Es ist klar, uns geht es heute um Geld, aber etymologisch wird auch ganz schnell klar, Schulden und Schuld, Schulden und Moralvorstellung sind historisch gesehen sehr stark miteinander verankert und auch heute würden die meisten Menschen dem zurückzahlen von Schulden einen hohen moralischen Wert beimessen. Dabei ist das gar nicht so unstrittig. Zu Zeiten, in denen der Wert von Geld stark von der Getreideproduktion abhängig war, führten Landwirtschaftliche Krisen auch zu Schuldenkrisen, die Lösung des Problems: Der König hob die Schulden auf.

Und auch in moderneren Zeiten ist das kein unvorstellbares Szenario, denken wir an die Finanzkrise 2008, ohne den Erlass von Schulden der Versicherungskonzerne, die für die ganzen raffinierten Betrugsmanöver mit schönen Namen wie „hypothekenbesicherten Schuldderivaten“ gebürgt hatten, wäre unser Finanz-System wohl kollabiert. Und hier kommen wir zum Kern des Problems, Kredite sollten nicht einfach gedankenlos vergeben werden. Es sollte Aufgabe des Vergebers von Krediten sein die Rückzahlung der gleichen sicherzustellen durch eine Risikoanalyse und wenn er sich täuscht, sollte er dafür geradestehen. Denn ansonsten kommen wir in ein System, welches sich immer weiter verselbstständigt. Denn Schulden sind kein reines Konstrukt, sie sind Symbol einer sehr einfachen Realität, der Begrenztheit von Ressourcen, ökonomisch äußert sich das in der Gefahr der Inflation und deshalb können wir auch nicht einfach immer mehr Schulden aufnehmen. Auch wenn wir gerade das, global gesehen, zu machen scheinen. Als z.B. die Vereinigten Staaten 1971 vor großen Handelsdefiziten und einer drohenden Inflation standen, hob Nixon einfach die Knüpfung des Dollars an Gold auf.

Die eskalierten Schulden der Europäischen Union in diesem Jahrhundert fing an, die eigentlich für monetäre Stabilität verantwortliche Institution, die EZB, zu deeskalieren, indem sie in großen Stil Staatsanleihen kaufte, also de facto durch Aufkaufen staatlicher Schulden. Das das nicht unumstritten ist, äußerte sich in dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aus 2020 welches von der EZB eine genaue Begründung für eines solchen Vorgehen forderte.

In Zeiten, in denen wir also immer noch einen neuen Trick entwickeln, unseren finanziellen Bankrott noch ein wenig aufzuschieben, sollten wir dankbar sein um jeden Versuch der tatsächlich die Ursache bekämpft und nicht die Symptome und genau hier ist die zu Anfang erklärte Schuldenbremse zu verorten.

Deutschland nimmt hier eine besondere Rolle ein, denn es hat gezeigt, dass die Hoffnung auf fiskalische Nachhaltigkeit noch nicht völlig verloren ist, indem es seit der Einführung der Schuldenbremse seine Schuldenquote deutlich senken konnte und somit die deutsche Bonität auch wesentlich für in Europa geschaffene Solidarinstrumente ist, Deutschland bürgt also für Staaten die den Punkt erreicht haben, dass sie die eignen Schulden und damit einhergehenden Zinsverpflichtungen nicht mehr nur aus eigenen Einnahmen bedienen können. Denn es gibt diesen Punkt, wo ein kritischer Schuldenstand überschritten wird, und dann sieht es für unsre Zukunft düster aus. Das also, meine Lieben Damen und Herren, sie an der Zukunft unseres Landes und unserer Welt hängende, möchte ich Ihnen mitgeben, die Schuldenbremse sie ist nicht, wie es heute so oft heißt eine Zukunftsbremse, sie ist vielmehr unsere einzige Hoffnung auf eine Zukunft ohne Fiasko, sie ist also eine notwendige und richtige Entscheidung.