venerdì 14 aprile 2023

Wo sind die Lehrer? Warum aber ist der Lehrerberuf (zunehmend) unattraktiv? - David Rieß

 Wo sind die Lehrer?


Immer mehr Leute treibt die Frage um, warum in Deutschland mittlerweile Lehrkräfte fehlen. Über Jahrzehnte gab es diese Probleme nur vereinzelt. Das Lehramt galt vielerorts als attraktiv und sicher.

Aktuell gelingt es aber in der Tat vielen Bundesländern nur mit Quereinsteigern, den Unterrichtsbetrieb aufrecht zu erhalten. Zum Teil müssen gar Unterrichtsstunden gekürzt werden.


Warum aber ist der Lehrerberuf (zunehmend) unattraktiv? 15 Erklärungsansätze:



  1. Im Lehrerberuf steht man 25-28 Stunden/Woche auf der ‚Bühne‘. Je nach Situation kämpft man merklich um Aufmerksamkeit. In einem klassischen Bürojob fällt dies weg – man kann im wahrsten Sinne des Wortes in Ruhe arbeiten.


  1. Die Besoldung bzw. das Gehalt ist aus der Sicht eines Geisteswissenschaftlers gut. Fragt man nun aber einen Studenten, der seinen Master in Physik macht, sieht dies schon wieder anders aus. Berufliche Schulen, die Ingenieure als Quereinsteiger suchen, haben daher noch größere Probleme.


  1. Studienplätze für das Lehramt wurden abgebaut. Dies hätte spätestens mit der großen Flüchtlingsbewegung 2015 korrigiert werden müssen.


  1. Der Lehrer-Beruf lässt wenig Raum, um Karriere zu machen und Führungspositionen zu ergattern. Ich persönlich sehe dies eher als Vorteil – bin damit aber sicher nicht in der deutlichen Mehrheit. Es scheint dem Zeitgeist zu widersprechen.


  1. Image-Problem: Der Aussage „Ich bin Lehrer“ wird zunehmend mit mitleidigen Blicken begegnet. Der Lehrer ist keine typische Respektsperson mehr – soll er/sie aber auch nicht mehr sein (Schlagwort: Lerncoach). Insgesamt jedenfalls wird ein Arzt als deutlich ‚wichtiger‘ angesehen.


  1. Der Beamtenstatus ist für manche auch ein Fluch: Es besteht Abhängigkeit zu einem Dienstherrn, der einen versetzen kann oder die Versetzung jahrelang verweigern kann.


  1. Schulen sind zu großen Teilen noch keine attraktiven Arbeitsplätze: Insgesamt wenig digitalisiert. Außerdem haben die meisten Lehrer in ihrer Schule keinen ordentlichen Arbeitsraum.


  1. Daraus folgt ein weiterer Punkt: Lehrkräfte sind kaum in der Lage, die Arbeit und das Private voneinander zu trennen. Sowohl bei der sichtbaren Arbeit, allerdings auch gedanklich.


  1. Das Lehramtsstudium dauert sehr lange: Während ein IT’ler mit einem Bachelor schon ordentlich arbeiten kann, braucht es meist sieben Jahre (oder mehr), um als vollwertige Lehrkraft vor der Klasse stehen zu können.


  1. Die Anforderungen in der Lehrerausbildung sind sehr hoch: Dabei wird besonders das 1,5-jährige Referendariat oft als psychisch sehr belastend bewertet. Hier kann man nach mindestens fünf Jahren Studium überdies noch ‚alles‘ verlieren, falls man keine Lehrberechtigung erhält.


  1. Klassen werden zunehmend heterogener und dabei nicht kleiner, womit Lehrkräfte ohne Hilfe umgehen sollen. Darauf sind viele Lehrer nicht hinreichend vorbereitet worden.


  1. Trotz des Lehrermangels gibt es weiterhin vergleichsweise wenige ‚Planstellen‘. Vertretungslehrer zu finden, ist kaum mehr möglich. Daher müssen Kollegen nicht selten ein bis zwei Stunden zusätzlich unterrichten.


  1. Fachfremdes Unterrichten nimmt in Folge dessen ebenfalls zu. Dieses Vorgehen mag zwar möglich sein, ist aber politisch eigentlich nicht gewollt und merklich mehr Arbeit für die Lehrkraft. 


  1. Dadurch, dass aktuell in vielen Berufen Mangel herrscht, wählen potenziell weniger Menschen den vergleichsweise sicheren Lehrerberuf.


  1. Viele Lehrer klagen über die ‚Nebentätigkeiten‘, vor allem was die Fehlzeitenerfassung der Schüler oder generell zusätzliche Verwaltungsaufgaben angeht. Diese hätten mit dem eigentlichen Lehrerberuf nichts zu tun, hört man regelmäßig.

David Rieß und Johanna Graziotto (Foto von Roberto Graziotto) 


Anmerkung: Ich selbst bin sehr gerne Lehrer und beurteile nicht alle dieser Punkte als sehr schwerwiegend. Nichtsdestotrotz habe ich versucht ein Stimmungsbild zu zeichnen, das Wahrnehmungen aus meinem Kollegium, der Medien und evidente Erkenntnisse bündelt.

[David Rieß]

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