domenica 4 novembre 2018

Angela Merkel - ein Versuch philosophischer Reflexion über die deutsche Kanzlerin

Leipzig. „Wenn wir jetzt anfangen, uns noch entschuldigen zu müssen dafür, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land.“ Moritz Rinke (Der Tagesspiegel, 2.11.18), Autor von Dramen und Romanen, aber auch Gastprofessor am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig (2009), zitiert zu Recht diesen Satz von Angela Merkel, die ihr politisches Handeln im berühmten Jahr 2015 zusammenfasst, , als die pragmatische deutsche Bundeskanzlerin beschließt, die Türen ihres Landes für anderthalb Millionen syrische Migranten zu öffnen. 

Wenn Sie nur an einem Artikel über die derzeit stattfindende Debatte über die Nachfolge von Angela Merkel in der CDU interessiert sind, können Sie diesen Artikel jetzt nicht mehr weiter lesen. Die Frage, ob Friedrich März (oder mit weniger Chance Jens Spahn) besser die "Mitte-Rechts-Partei" vertritt, während Merkel nur die "Mitte-Links-Partei" vertreten hätte, die den Kolumnisten der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) interessiert, ist nicht Gegenstand meiner Betrachtung. Auch die Frage, ob Merkels Favoritin, für Italiener die unaussprechliche, Annegret Kramp-Karrenbauer (ich würde italienischen Journalisten vielleicht die Abkürzung AKK empfehlen), in der Lage ist, auszudrücken, dass sie nicht nur Angela Merkels Klon ist (vgl. Berthold Kohler, einer der FAZ-Redakteure, in der heutigen Ausgabe vom 3.11.18, der meint, dass in der Tat Kramp- Karrenbauer nicht nur ein Merkels Klon ist), ist nicht Gegenstand unserer Reflexion. Dieser Diskursansatz ist nicht ohne journalistischen Sinn, jedoch entspricht nicht meinem primären Interesse, das philosophischer Natur ist und die Interessen des "Mitte-Rechts" oder der "Mitte-Links" Lagers mit zuletzt philosophischen Kategorien beurteilt.

Was ich kurz schreiben möchte, setzt diese Frage voraus: Ist Angela Merkels Pragmatismus eine echte Überwindung jeder Form von "politischer Theologie" (ich benutze persönlicher Art und Weise  die Terminologie von Massimo Borghesi (1)) oder ist es nur ein Ausdruck von "Machtwillen"? Mit "politischer Theologie" meine ich die direkte Übersetzung einer theologischen Aussage in die Politik: ob sie nun Ausdruck einer "konservativen" Theologie des Wohlbefindens oder einer "fortschrittlichen" Theologie der Status quo-Revolution ist. Der Artikel geht, auch Dank einer Arbeit der letzten Jahre in der Gruppe "Contadini di Peguy" (1.500 Mitgliedern), die vor allem in Facebook zum Ausdruck kommt, davon aus, dass der "Konservatismus" heute der eigentliche Gegner jener Position der "theologische Politik" ist, die sich am Welttheater in der Gestalt von Papst Franziskus ausdrückt. Mit "theologische Politik" (nicht zu verwechseln mit politischer Theologie) meine ich eine Orientierung, die unter Berücksichtigung der Komplexität des demokratischen Spiels, das Evangelium als letztes Kriterium hat; das Evangelium, das aufgrund einer "bevorzugten Option für die Armen" gelesen wird (Medellin 1968, Puebla 1979, aber noch mehr Aparecida 2007, Johannes Paul II, Benedikt XVI., Franziskus - es gibt auch innerhalb del lutherischen Welt Bund Positionen die so gelesen werden können). 

Allein das Jahr 2015 zeigt, dass die deutsche Bundeskanzlerin, Tochter eines lutherischen Pastors (in der DDR) (2), auch bei wirklich fragwürdigen Entscheidungen (vor allem die mit Erdogans Türkei versöhnliche, verständliche, aber schwer verdauliche Haltung), in ihrem Herzen als letztes Kriterium "das freundliche Gesicht in Notsituationen"  hat, das eine Übersetzung in der Sprache der "theologischen Politik" der evangelischen Barmherzigkeit ist. 

Wie ich in meinem Blog oft zum Ausdruck gebracht habe, als Übersetzung in der Sprache "theologischen Politik"  der ontologischen Dimension des Seins als Gabe (Ferdinand Ulrich, Homo Abyssus. Das Wagnis der Seinsfrage, Einsieldeln, 1961), ist die zentrale Frage heute die des "kollektiven Egoismus" (Definition des Nationalismus von J.J.Rousseau). Oder man kann auf literarischer Ebene den Ausdruck von Paolo Malaguti in seinem "Lungo la Pedemontana" verwenden: den, nicht "gens" zu sein: "Hässlichkeit existiert nicht, wenn sie den individuelle Tabernakel meines Wohlbefindens nicht beeinträchtigt. Wir sind keine Gens" (Venedig, 2018, 54). Aus diesem Grund sagt Nicola F. Pomponio, Autorin einer Rezension der intellektuellen Biographie des Papstes von Massimo Borghesi, dass wir heute in einer Ära der politischen Übersetzung Max Stirners Philosophie (Der Einzige und sein Eigentum) leben: Individualismus als letztes Kriterium. 

Der Realismus oder Pragmatismus von Angela Merkel lebt im Einklang mit den 4 Prinzipien Jorge Marios Bergoglios (3): zum Beispiel von der Priorität der Realität über die Idee. Ein Realismus oder Pragmatismus, dem vorgeworfen werden kann, die Aussage von gestern oder heute morgen allzuoft zu verleugnen, aber das ist nie ein Opfer der Ideologie und vor allem der rein "männlichen", die denkt, dass ein Konzept zur Lösung eines Problems hinreichend wäre; es gibt viele Männer, die Merkel überwinden oder denen sie Widerstand leisten konnte - "Schröder, Berlusconi, Putin, Sarkozy, Georg W. Bush" (um nur die von Moritz Rinke ernannten zu nennen). Ihr Pragmatismus, der sich in wesentlichen Entscheidungen nicht von dem von Helmut Kohl unterschied, konnte sich auch dem großen Kanzler des Mauerfalls widersetzen, wenn diese seine "Autorität" zur Deckung einer Finanzverwaltung nutzte, die sicherlich kein ad usum privatae personae war (in seinem Schreibtisch hatte Kohl Stempel für den persönlichen Gebrauch und Stempel für den öffentlichen Gebrauch), aber eine sozusagen sehr "männliche" und wenig "legale" Art und Weise darstellte, um Geld für die Partei zu verwalten. Angela Merkel konnte schweigend vor dem Sarg dieses großen Mannes ihre Dankbarkeit für einen Mann zum Ausdruck bringen, der gerade beim tragischen Tod seiner Frau eine nicht nur politische Präsenz von großer menschlicher Größe sein konnte. 

In Angela Merkel findet die "global-lokale" Polarität einen sicheren Wegweiser, der ein weiterer Schritt in Richtung der Idee der "Staatskontinenten" (Alberto Methol-Ferré, ein wichtiger Lateinamerikanischer Philosoph, der eine große Rolle in der intellektuellen Biographie Bergoglios spielt; mit dem Bild des Polyeders hat Papst Franziskus in seinen Strassburger Reden im Jahr 2014ähnliches gesagt) ist, die der einzige politische Vorschlag auf Weltebene ist, der in der Lage ist, die vielen Welten, eben die vielen "Staatskontinenten", mit ihren Bedürfnissen und Interessen zusammenzubringen. Auf der Ebene dieser Polarität wird auch ein faires Gleichgewicht zwischen Finanzen und Wirtschaft notwendig sein, wie wir bei einigen Entscheidungen von Angela Merkel gesehen haben (etwas für Griechenland)  die in Südeuropa keinen Konsens finden, die aber in Wirklichkeit Ausdruck einer realistischen Haltung sind, auch in diesem Bereich, und nicht einer deflationären Politik, die dazu dient, andere zu versklaven. 

Auch die Priorität von "Zeit" vor "Raum" findet in Merkel eine adäquate politische Übersetzung: Es reicht nicht aus, Machträume zu besetzen, um einen Beitrag zur Lösung der Probleme der Welt zu leisten, nicht einmal die des deutschen Kanzlers, sondern man muss sich viel Zeit nehmen, um zu vermitteln: Ich erinnere mich noch in großer Dankbarkeit an die verzweifelten Tage der Krise in der Ukraine und an die Versuche der Kanzlerin, zwischen den beteiligten Akteuren zu vermitteln - niemand wie Sie hat im Jahre 2015 einen echten Dialog mit Putin im ukrainischen Konflikt erfolgreich versucht.  Im Engagement der Kanzlerin in diesem Bereich sehe ich auch eine Umsetzung des Grundsatzes Bergoglios der Überlegenheit der Einheit über den Konflikt.  

Ist es möglich, Angela Merkel zu kritisieren? Natürlich hat sie, wie alle Menschen, die handeln, Fehler gemacht: Welche sie sind, verdient einen detaillierteren Artikel als diesen. Ihr Dinge vorzuwerfen, die heute kein politischer Akteur überwinden kann, ist jedoch nicht sinnvoll. 

Ich spreche freilich in diesem Artikel über einer der mächtigsten Frauen der Welt. Aber ich sehe in ihr eine Haltung des Dienen  die ich auch bei einigen sehr einfachen Menschen sehe, wie bei der Frau, die in unserem Haus bügelt, oder bei dem Landwirt, der das Land um unser Haus herum bearbeitet, was in der Tat eine Garantie für echte Glaubwürdigkeit ist. Ich hoffe, dass der Nachfolger (meine Präferenz gilt vorerst der AKK) in der Lage sein wird, einen weiteren Schritt in Richtung Dialog und Dienst für die Völker und Menschen, die in ihnen leben, zu tun. Deutschland ist eine starke Präsenz in Europa und der Welt, und wir wissen aus der Geschichte, dass es nicht gut ist, wenn es von anderen isoliert ist. Nur eine Haltung der Macht als Dienen wird Deutschland in die Geschichte anderer Länder, in Europa und in der Welt integrieren. Angela Merkel war und ist glaubwürdige Garantin dieser politischen Haltung.

(1) Dieser Artikel verdankt viel sowohl der "Kritik der politischen Theologie" wie auch dem Buch über Bergoglios intellektuelle Biographie diesem italienischen Professor: 
Critica della teologia politica, Genova-Milano, 2013.
Jorge Mario Bergoglio. Una biografia intellettuale, Milano 2017 (inzwischen in englisch, portugiesisch, spanisch übersetzt). 

(2) Eine mit befreundete evangelisch- lutherische Pastorin hat mir folgenden geschrieben: "Ach übrigens, lieber Roberto,  Angela Merkel ist genau genommen eine Pfarrerstochter aus einer unierten Landeskirche (also nicht im strengen Sinne lutherisch), da fließt also auch noch einiges an preußischem Geist - im besten (pflichtbewussten, aber durchaus nicht im militaristischen) Sinne - mit ein. Und ein deutlich anderes Verständnis von politischer Theologie als es im Luthertum oft zu finden ist…" (Bettina Plötner- Walter). Sie hatte auch in meiner Pinnwand in Facebook kommentiert:  Lieber Roberto, "es gab 3 Punkte, an denen mir Angela Merkels "theologische Politik" schlaglichtartig ins Auge gefallen ist (bzw. die Tatsache, dass sie eine DDR-)Pfarrerstochter ist): Damals, es ist bereits Jahre her, als sie den Dalai Lama empfangen und ihm die Hand gereicht hat, als alle anderen Politiker aus Furcht vor den Chinesen sie davor gewarnt hatten, dann ihre eindeutige Haltung in der Ukraine-Krise und schließlich natürlich ihr "Wir schaffen das" (das ja ganz lustig an Obamas "yes, we can" erinnert ;-) ). Und natürlich die Tatsache, dass sie nie irgendwelchen Ideologien aufgesessen ist, sondern lieber pragmatisch ihren Dienst getan hat. Wir werden uns in ein paar Jahren noch ganz schön umgucken und dann erst wissen, was wir an ihr haben/ hatten.";-)Di - 

(3) Die, er sowohl in der Evangelii Gaudium (2013) als Papst wie auch als Erzbischof von Buenos Aires in früheren Stellungnahmen ausgedruckt hat: Überlegenheit der Einheit zur Differenz, der Zeit zum Raum, der Globalität zur Lokalität, der Realität zur Ideen . Überlegenheit bedeutet nicht, dass der weniger wichtigen Pol zerstört werden muss. Er muss integriert werden in dem oberen. 

PS Zu dem Kommentaren in meiner Pinnwand in Facebook will ich auch den des Landrates  in Bürgenlandkreis, Götz Ulrich erwähnen: "Lieber Herr Graziotto,  leider bin ich weder Philosoph noch Theologe und kann daher Ihren wissenschaftlichen Ableitungen und Herleitungen nur bedingt folgen. Ich teile aber uneingeschränkt den Grundtenor Ihres Artikels: "Nur eine Haltung der Macht als Dienen wird Deutschland in die Geschichte anderer Länder, in Europa und in der Welt integrieren. Angela Merkel war und ist glaubwürdige Garantin dieser politischen Haltung." Ich finde es wohltuend, dass Angela Merkel nie polternd und lautstark ihr Amt ausgefüllt hat und ausfüllt, sondern dienend. Darin liegt in gewisser Weise eine zum Ausdruck kommende Demut, auch wenn der Begriff für eine Protestantin nur bedingt gelten kann. Aber gemeint ist das, was z. B. Gabriele Ingenthron einmal so formuliert hat: "Arbeit von Qualität, in Verantwortung für das Ganze. Schonender Umgang mit Ressourcen. Die Integration von Fremden, Inklusion von Schwachen, soziale Marktwirtschaft. Diese Art von Demut ist eine, die über sich selbst hinauswächst, die uns zu selbstbestimmten Mitgliedern einer Gesellschaft macht." Zum Begriff der Demut ist dann ein interessante neben Diskurs zwischen Bettina Plötner- Walter und Götz Ulrich entstanden: "Lieber Götz, warum meinst Du, dass der Begriff der Demut für eine Protestantin nur bedingt gelten kann?" Antwort von Herrn Götz: "Liebe Bettina, Eine falsch verstandene Demut hat den Menschen lange in Unmündigkeit gehalten. Sündhaft und schuldbeladen war er einfacher gefügig zu machen. Luther machte damit Schluss. "Wir sind keine Würmer mehr, die demütig am Boden kriechen müssen.""

Übersetzt mit www.DeepL.com/Translator (korrigiert vom Autor, der aber nicht Muttersprachler ist) 

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